Dienstag, 10. Februar 2015

Jenseits des Trifidnebels: Entdeckungen im Unsichtbaren

Andreas von Rétyi

Die Europäische Südsternwarte ESO meldet heute interessante neue Beobachtungen des Trifidnebels, eines schon lange bekannten Himmelsobjekts – diesmal aber erscheint er in ganz anderem Licht. Oder besser gesagt: Er verschwindet ...
Die neue Aufnahme des VISTA-Teleskops der ESO ist etwas ganz Besonderes. Auf ihr wird der sonst ziemlich hell leuchtende Trifid-Nebel plötzlich zum Schatten seiner selbst. Ein wenig paradox klingt das schon. Für gewöhnlich wollen natürlich auch Astronomen mehr sehen, nicht weniger.
Doch genau, weil der Nebel verschwindet, sehen sie mehr. Erstmals wird dadurch der Blick hinter die kosmischen Kulissen dieser Region möglich.
Das VISTA-Teleskop ist das größte Infrarotteleskop der Welt. Bei diesen Wellenlängen werden die interstellaren Nebelmassen aus Staub und Gas transparenter.
Wo die Sicht normalerweise blockiert ist, treten jetzt weit entfernte Objekte aus dem Hintergrund in Erscheinung. Und die galaktischen Regionen rund um den Trifid-Nebel sind besonders »wolkig«. Schon ganz allgemein fällt auf, dass insbesondere Galaxien nahe dem Band unserer Milchstraße ziemlich rar sind. Und so sprach man bald auch von der »Zone of Avoidance«, der Meidezone für solche Objekte.
Ganz klar: Galaxien liegen weit außerhalb des Milchstraßensystems – schließlich handelt es sich bei ihnen um eigenständige Milchstraßen. Und die interstellare Materie unseres Systems blockt deren 
Licht weitgehend ab.
Doch auch innerhalb der Galaxis gibt es viele von der Erde aus unsichtbare Gebiete. Vor allem zum galaktischen Zentrum hin verdichtet sich alles, ähnlich einer interstellaren Metropole einschließlich Licht- und Luftverschmutzung. In diesem Ballungsraum liegen zahlreiche Gas- und Staubnebel, die den Blick in größere Ferne abschotten.

Und mitten in der ausgedehnten Spirale türmt sich der gigantische galaktische Wulst auf, als »Radnabe« unserer Welteninsel, ein nahezu undurchdringliches Gebilde, hinter dem sich der Beobachtungsschatten ausbreitet, seinerseits eine kegelförmige Zone im »Jenseits« der Galaxis. Jene Gefilde entziehen sich neugierigen Blicken, zumindest denjenigen irdischer Astronomen.






In Richtung zum galaktischen Zentrum befindet sich auch der Trifid-Nebel M20. Er bildet eine interstellare Wolke im Sternbild Schütze, rund 5000 Lichtjahre von uns entfernt.
Im Rahmen der VVV-Durchmusterung der Europäischen Südsternwarte haben Astrophysiker nun mit dem 4,1-Meter-VISTA-Teleskop auf dem chilenischen Paranal-Massiv eine neue Aufnahme im nahen Infrarot gewonnen, die tiefer vordringt als Bilder im sichtbaren Licht. Die geringe Streuung dieser Wellenlängen durch die sonst hinderlichen Wolken zeigt hier plötzlich ganze Sternennester, während die umliegenden Nebelmassen beinahe komplett verschwinden.
VVV sucht im nahen Infrarot gezielt nach besonderen Sternen innerhalb der Milchstraße –VISTAVariables in the Via Lactea, nach Veränderlichen also. Wie der Name schon nahelegt, verändern
solche Sterne ihre Helligkeit, wobei es viele verschiedene Typen gibt.

Das aktuelle Bild der Trifid-Region stellt lediglich einen winzigen Ausschnitt aus dem riesigen VISTA-Datensatz. Und rückt dieses Gebiet in völlig neues Licht. Der Trifid-Nebel wurde im Juni 1764 vom französischen Astronomen Charles Messier verzeichnet und erhielt in seinem berühmten Katalog die Nummer 20. Daher auch »M20«. Schon in kleineren Teleskopen fällt bei guter Sicht eine ungewöhnliche Dreiteilung des Nebels auf, die ihm den Namen verleiht. Es handelt sich um dunkle Staubbanden, die sich deutlich vor den leuchtenden Nebelmassen abzeichnen.
Moderne Aufnahmen, so auch mit dem Hubble-Weltraumteleskop, zeigen sie mit vielen Details, dazu für gewöhnlich das rötliche Wasserstoffleuchten sowie Wolken, die das Licht eingebetteter blauer Sterne lediglich reflektieren. Ein schöner Anblick, allemal. Er verblasst nun auf dem aktuellen ESO-Bild zu einem zarten Schleier. Die sonst so deutliche Dreiteilung lässt sich hier kaum mehr ausmachen.
 Nun aber öffnet sich dafür ein neues fantastisches Panorama. Das VISTA-Teleskop ist in der Lage, durch den Trifid-Nebel hindurchzusehen. In Wirklichkeit weisen auch solche Emissionsgebiete nur eine sehr niedrige Materiedichte auf, doch erstrecken sie sich über Lichtjahre hinweg, ihr Leuchten 
wie auch ihre Staubzonen blockieren die Durchsicht daher sonst nachhaltig.

 VISTA konnte nun allerdings sogar Objekte weit hinter dem Nebel erfassen, auf der anderen Seite unserer Galaxis – fremde Sonnen, die nie zuvor gesehen wurden. Während der Trifid-Nebel etwa 5200 Lichtjahre von uns entfernt wabert, liegt das galaktische Zentrum in einer Distanz von rund 27 000 Lichtjahren.
VISTA drang nun in gleicher Richtung gut 10 000 Lichtjahre weiter vor, auf bis zu 37 000 Lichtjahre also. Hier stieß das Infrarot-Teleskop auf zwei Cepheiden, Vertreter einer besonderen Gattung veränderlicher Sterne, die sich durch eine Kopplung zwischen ihrer durchschnittlich erreichten, maximalen Leuchtkraft und der Periodenlänge auszeichnen und daher zur Entfernungsbestimmung geeignet sind.
Die beiden Sterne liegen nur scheinbar in der Nähe des Trifidnebels und sind in der Realität doch ungleich viel weiter entfernt von uns. Das neue Bild dieser galaktischen Regionen belege, welche Überraschungsfunde im Infraroten möglich seien, so betonen die ESO-Astronomen.

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Bildnachweis: ESO
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Quelle kopp-verlag

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